Es ist niemals ruhig in Del Sol Valley, selbst hier in den Wohngebieten nicht. Ständig rauschen Flieger tief über die Dächer; Fahrzeuge rasen die nahegelegene Autobahn lang und irgendwo knallt und pocht es. Hunde bellen. Besoffene jaulen. Krach gibts immer, auch nachts um halb drei. Die Anwohner haben gelernt damit zu leben – irgendwann fällt der Fluglärm halt nicht mehr auf. Für den Rest gibts Schallschutzfenster.
Nur Sturmklingeln an der Haustür… Ja, das reißt selbst den dickfelligsten Bewohner von Del Sol Valley aus dem Schlaf.
„Es ist drei Uhr! Wer klingelt Mittwoch nachts kurz vor drei!?“
Bowie B., studierter Schauspieler und professioneller Mädchenschwarm (besser bekannt als Dr. Grant in der Herzschmerz-Serie Residency of the Heart – niemand stirbt so schön wie er) schwingt sich gekonnt in seinen Seidenpyjama und aus dem Bett, noch bevor der zersauste Blondschopf neben ihm so richtig wach ist.
„Jemand der bei unserer kleinen Feier mit machen will?“ nuschelt der Blonde unter der Decke hervor.
Doch Bowie schüttelt nur den Kopf.
„Ich lade doch keinen Vierten ein ohne euch beide vorher zu fragen! Warte hier, ich kümmere mich drum.“
Aber als Bowie zur Tür geht, springt der attraktive Blonde aus dem Bett.
„Bowie, hast du keine Angst vor deinen Fans?“
„So berühmt bin ich auch wieder auch nicht, Morgyn.“
„Ich meine deinen Stalker, Wuschelkopp. Was wenn er es ist?“
Der Schauspieler grinst nur:
„Inferniate.“
„Für so was habe ich dich nicht trainiert, Bowie. Sei vorsichtig, bitte.“
„Oh, ich werde nichts Permanentes machen, versprochen. Aber sag mir ins Gesicht, dass der Typ es nicht verdient hat, mal zehn Minuten in Flammen zu stehen.“
Der Weise der ungezähmten Magie lacht leise und schüttelt dann den Kopf.
„Ich will einfach nicht, dass dir was passiert, du Trottel.“
Besagter Trottel wirft dem Blonden eine Kusshand zu und schreitet schwungvoll zur Tür.
„Süßer, es wäre nicht das erste Mal, dass dieser Idiot schreiend und mit den Armen wedelnd vor meiner Tür stünde. Und die Kamera, die Magie aufzeichnen kann, haben sie noch nicht erfunden.“
Morgyn rollt die Augen und geht seine Klamotten suchen, während sein (sehr, sehr) guter Freund sich wieder auf dem Weg zur Haustür macht geht.
Aber noch bevor Bowie an der Haustür ankommt, kommt eine hübsche Blondine aus seinem Badezimmer.
„Bowie, wer ist das?“ fragt sie mit voller, trainierter Stimme.
„Keine Ahnung, Hübsche. Hüpf wieder in die Wanne. Ich kümmere mich drum.“
„Hm. Schrei, falls es dein ‚Fan‘ ist.“
„Aber Harley!,“ Bowie schlägt mit Schwung die Hand aufs Herz, „Wenn ich schreie, kommt doch jeder Köter der Nachbarschaft angelaufen! Das kann ich den armen Viechern doch nicht antun!“
Die Blondine wirft Bowie einen unamüsierten Blick zu und hebt eine perfekt gezupfte Augenbraue. Der schlagsige Schauspieler zuckt mit den Schultern.
„Die Kamera an der Eingangstür läuft, du Goldfisch. Ab in die Wanne mit dir. Falls ich dich wirklich brauche, solltest bei Kräften sein.“
Sie schaut ihn einen Moment durchdringend an, nickt dann und zieht ohne ein weiteres Wort die Tür zu.
Bowie ist zwar der Meinung, dass seine Freunde (mit Vorzügen) in letzter Zeit etwas übervorsichtig sind, aber ganz Unrecht haben sie nicht. (Wenigstens weiß seine Mutter nichts von der Stalker-Situation. Ein mysteriöser Mord in seinem Umfeld würde so gar nicht in seinen PR Plan passen.) Deswegen checkt er die Kamera bevor er die Haustür wirklich aufmacht. Draußen steht eine Frau – Sie kommt ihm bekannt vor, obwohl er ihren hübschen Gesicht gerade keinen Namen zu ordnen kann. Aber sie ist blond und athletisch und somit genau sein Typ.
Und sie hat einen Säugling auf dem Arm.
Mist.
So beweist er, dass er trotz aller gegenteiliger Behauptungen in der Klatschpresse nicht nur ein Schönling ist, sondern auch ein begnadeter Schauspieler: Er geht locker und gelassen vor die Tür und lächelt die nicht-ganz-unbekannte Dame mit seinem besten Lausbuben-charme an – obwohl er sich innerlich seinen Kopf zermartert um sich an ihren Namen zu erinnern. Oder woher er sie kennt.
Ah, ja…
Diese Produzentenparty von vor etwas mehr als einem Jahr. Sie war im Catering Team. Und dann haben sie sich halt etwas Privates aufgetischt. Alles in allem ein war es ein gut gelungender Abend. Zumindest seiner Meinung nach.
„Kelani, nicht wahr?“ Bowie ist jetzt ganz der Frauenschwarm, „Und ich hatte gedacht, du hättest meine Telefonnummer verlegt.“
„Hatte ich auch. Herzlichen Glückwunsch zu deiner großen Premiere. Es war ein ziemlicher Aufwand dich zu finden. Du wechselst deine Adresse wie andere die Unterwäsche.“
Der junge Schauspieler nickt freundlich. Kelani wäre nicht die erste, die sich jetzt nach seiner ersten großen Filmrolle spontan an ihn erinnert. Es bringt nichts, sich darüber aufzuregen. Sie wird ihm schon sagen, was sie von ihm will.
Stattdessen reicht ihm einfach das Kind.
Bowie wird bleich. Es sind nicht die großen blauen Augen, die ihm verraten, dass es seine Tochter ist. Und auch nicht das wohlig-heimische Gefühl seiner eigenen Magischen Blutlinie in ihr. Nein. Es sind die Ohren. Die kann Bowie wirklich nicht verleugnen.
„Oh.“
„Genau,“ antwortet Kelani, „‚Oh‘.“
Die Stille zieht sich einen Moment hin, dann räuspert sich der nicht mehr ganz so junge Mann sich.
„Wenns dir ums Geld geht, zahle ich natürlich,“ sagt er.
Das wäre zwar eine Katastrophe für sein Image als Mädchenschwarm, aber das erreicht eh so langsam das Verfallsdatum. Dann muss er halt etwas früher als geplant zum Charakterdarsteller wechseln. Bowie war schon immer absolut zuverlässig wenn es um seine Pflichten ging – eine der Gründe, weshalb die Produzenten trotz all seiner Macken und Star-Allüren immer wieder gerne mit ihm arbeiten.
Doch die Blondine lacht bitter.
„Wenns nur ums Geld ginge, wäre ich nicht hier!“
„Ich weiß nicht wie, aber die Kleine hat meine Wohnung in Brand gesteckt. Dann das Büro. Das Auto meines Cheffes. Den Wagen seines Mannes. Dann auch noch zwei der Rettungswagen und einen Müllcontainer. Der hätte beinahe einen Wohnblock mitgenommen.“
Sie seufzt.
„Und jetzt werde ich wegen schwerer Brandstiftung gesucht.“
Kelani kitzelt ihre Tochter unter dem Kinn.
„Aber auch egal. Ihr Name ist Anne-Mariechen Mondscheinfee und sie verdient es nicht ins Waisenhaus zu kommen nur weil die ihre Mama in den Knast stecken wollen. Also…“
Bei dem Namen hätt‘ ich auch alles in Brand gesteckt, denkt Bowie sich noch und verpasst beinahe, wie Kelani ihm und ihrer Tochter noch einmal zu winkt und sich prompt umdreht.
„Viel Glück!“ ruft sie…
…Und macht flinke Hufe.
Und da steht Bowie nun, mit seiner seltsam ruhigen Tochter auf dem Arm. Er muss erstmal ein paar Minuten tief durchatmen damit er nicht umfällt. Tja, so schnell kommt man an ein Kind.
Dann dringt ein Gedanke durch den Schock:
Wow. Die Klatschpresse wirds freuen.